Erbschein: Definition und Anforderungen

Mit dem Tod des Erblassers erlöschen seine höchstpersönliche Rechte; hingegen erlöschen dingliche und schuldrechtliche Ansprüche und Schulden des Erblassers nicht mit dessen Tod; bezüglich diese muss geklärt werden, wer für die Schulden haftet bzw. wem diese Ansprüche zustehen. Das amtliche Zeugnis, das die Erben des Erblassers ausweist, heißt „Erbschein“. Im Erbschein erscheinen nicht nur der beantragende gesetzlicher Erbe bzw. der Testamentserbe, sondern alle Erben mit ihren Erbteilen. Die Erben haben die Möglichkeit, den Erbschein beim Amtsgericht bzw. Notar entweder selbst oder durch ihren Prozessbevollmächtigten zu beantragen. Ein Notar ist nicht berechtigt, einen Erbschein auszustellen, sofern einer der Erben kein türkischer Staatsangehöriger ist bzw. die Doppelstaatsbürgerschaft besitzt. In diesem Fall ist die Beantragung des Erbscheins beim Amtsgericht zwingend erforderlich. Beschränkungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeiten der Gerichte sind im Gesetz nicht vorhanden.

Erbscheinsanträge mit Ausländischer Beteiligung und die Rolle des Amtsgerichts

Sollten bei Anträgen zur Erteilung von Erbscheinen Ausländer beteiligt sein, ist es zur Beschleunigung des Verfahrens ratsam, den Antrag bei jenem Amtsgericht zu stellen, in dessen Sprengel der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte bzw. in dessen Sprengel sich der Nachlass befindet. Es  genügt, dass ein Erbe die Erteilung des Erbscheins bei Gericht beantragt; ein Tätigwerden aller Erben ist nicht erforderlich. Es ist erdenklich, dass Kinder und Ehegatten, die im türkischen Personenregister nicht eingetragen sind, im türkischen Erbschein nicht erscheinen.  In diesen Fällen ist es erforderlich, dass die Existenz und die Erbenstellung dieser Personen durch öffentliche Urkunden wie Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Personenregisterauszug und Lebensbescheinigung bewiesen werden. Wenn der Erblasser, dessen Ehe im Ausland geschieden wurde, die Scheidung im türkischen Personenregister nicht eintragen ließ, gilt seine Ehe in der Türkei noch als aufrecht; in diesem Fall könnte der/die geschiedene Ehepartner/in noch im Erbschein mit dem entsprechenden Erbteil erscheinen. Um diesen Erbschein zu berichtigen, müssen die übrigen Erben eine Anerkennungs- und Vollstreckungsklage gegen den/ die geschiedene(n) Ehepartner(in) erheben und die Rechtskraft des in diesem Verfahren ergangenen Urteils abwarten.

Beweispflichtige Dokumente und die Situation geschiedener Ehepartner

Die Beantragung des Erbscheins kann nicht nur durch den gesetzlichen Erben allein, sondern auch durch Testamentserben bzw. durch Vermächtnisnehmer erfolgen. In diesem Fall ist es erforderlich, dass zunächst das Testament durch das Gericht eröffnet wird. Am Ende dieser Verhandlung wird die Eröffnung des Testaments beschlossen und schließlich dem Testamentserben und Vermächtnisnehmer ein Erbschein ausgestellt. Allerdings sind Erben und Vermächtnisnehmer berechtigt, das Testament anzufechten. Sollten die Anfechtungsberechtigten nicht innerhalb eines Jahres eine Anfechtungsklage einbringen bzw. den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen, wird den Testamentserben der Erbschein ausgestellt. Da der Erbschein seine Gültigkeit bis zum Beweis des Gegenteils besitzt, kann die Einrede seiner Unrichtigkeit jederzeit erhoben werden. Allerdings trifft hier die Beweislast jene Erben, die behaupten, dass der im Erbschein erscheinende Erbe nicht Erbe ist.

Das Testament und der Erbschein: Anspruch und Anfechtung

In manchen Fällen wird trotz des Vorhandenseins eines Testaments im Ausland, unter Nichtbeachtung dieses Testaments ein Erbschein in der Türkei beantragt. Daher ist es möglich, dass nach Ausstellen von unrichtigen Erbscheinen Grundbesitz umschrieben wird.  Sollte der Erblasser Nachlass in der Türkei besitzen, ist es daher ratsam, Testamente auch in der Türkei eröffnen zu lassen oder Protokolle über die Eröffnung von Testamenten von internationalen Gerichten in der Türkei anerkennen zu lassen.

Wichtigkeit des Erbscheins bei Amtlichen Angelegenheiten

Von vielen Behörden wird in amtlichen Angelegenheiten die Vorlage des Erbscheins begehrt. Beispiele hierfür sind; bei der Überschreibung von Grundbesitz wird von Grundbuchämtern, für die Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen wird von Gerichten bzw. Vollstreckungsämtern die Vorlage des Erbscheins gewünscht; sollte der Erblasser über Guthaben und Wertpapiere bei Bankinstituten verfügen, ist für deren Erlangung sowie für die Beantragung von Witwen- und Waisenrente bei Sozialversicherungsanstalten die Vorlage des Erbscheins zwingend erforderlich.